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Fakultät Rehabilitationswissenschaften

Der Einfluss des Lesens auf die Entwicklung der Sehschärfe

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Im durch die DFG geförderten Forschungsprojekt "Hyper" soll der Zusammenhang zwischen dem Lesen(lernen) und der Entwicklung der Sehschärfe bei Kindern untersucht werden. Durch die Ergebnisse der Untersuchung könnten insbesondere Kindern mit Lese- und Rechtschreibschwächen profitieren.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Förderung für das Projekt Hyper des Fachgebietes Sehen, Sehbeeinträchtigung und Blindheit an der TU Dortmund unter der Leitung von Prof. Sarah Weigelt bewilligt. In dem von Prof. Weigelt und Dr. Katharina Limbach gemeinsam eingeworbenen Projekt soll über einen Zeitraum von drei Jahren untersucht werden, wie die Entwicklung der Sehschärfe von Kindern mit dem Lesen und dem Lesenlernen zusammenhängt.

Das Sehen durchläuft in den ersten Lebensjahren eine starke Entwicklung. Ein zentraler Aspekt der Verbesserungen des Sehens ist die sich verändernde Sehschärfe. Die Vernier-Sehschärfe (VerA), die auf kortikaler Verarbeitung beruht, ermöglicht dabei die Unterscheidung relativer Positionen von Elementen und damit das Erkennen eines kleinen Versatzes zwischen zwei Linien. So können kleinste Unterscheidungen zwischen Buchenstaben, wie zum Beispiel „c“ und „o“ oder „h“ und „n“ getroffen werden. Die schnelle und genaue Wahrnehmung dieser kleinen Unterschiede ist von zentraler Bedeutung für das flüssige Lesen.

Innerhalb der ersten Lebensjahre verbessert sich VerA erheblich. Interessanterweise zeigt sich ein besonders stark ausgeprägter Anstieg aber auch im Alter von ca. 6 Jahren. Da viele Kinder in diesem Alter eingeschult werden, wird vermutet, dass die Verbesserung mit dem Lesen beziehungsweise mit dem Lesenlernen zusammenhängen könnte und den damit einhergehenden stärkeren Anforderungen an eine genaue Detailwahrnehmung.

Im Projekt Hyper wird von den Kindern sowohl ein Profil der visuellen Fähigkeiten als auch der Lesefähigkeit bzw. der entsprechenden Vorläuferfertigkeiten erhoben werden. Die Kinder werden beim Übergang vom Kindergarten bis zur zweiten Klasse begleitet und durch eine Kombination aus der Elektroenzephalographie (EEG) und verschiedenen Verhaltensmaßen untersucht. Die Ergebnisse sollen die Entwicklung der visuellen Fähigkeiten und der Lesefähigkeiten auf verschiedenen Ebenen aufzeigen.

Dr. Katharina Limbach erläutert: „Mit den angestrebten Untersuchungen können wir das Wissen über die Diagnose und zugrundeliegende Mechanismen der Vernier-Sehschärfe erweitern. Mit Hilfe unseres Längsschnittdesigns werden wir die Frage beantworten, ob der zweite Anstieg in der Vernier-Sehschärfe im Alter von ca. 6 Jahren vom Lesen beziehungsweise dem Lesenlernen, von der allgemeinen Beschulung oder aber von generellen Reifungsprozessen beeinflusst wird.“ Zudem solle untersucht werden, inwiefern VerA und ihre Entwicklung wiederum das Lesen(-lernen) beeinflusst. Durch den Einschluss von Erwachsenen mit einem „ausgereiften“ Lese- und visuellen System sollen zudem individuelle Unterschiede und die möglicherweise stabilen Korrelationen zwischen VerA und Lesefähigkeit untersucht werden.

Prof. Weigelt erklärt, dass es sich bei dem Forschungsprojekt zwar um Grundlagenforschung handele, die Erkenntnisse über den Zusammenhang von VerA und Lesefähigkeiten aber dennoch besonders für Kinder, die Schwierigkeiten beim Lesen oder Lesenlernen haben, bzw. die mit einer Dyslexie diagnostiziert wurden, direkte Bedeutung haben könnten. „Unsere Ergebnisse können wichtige Konsequenzen für unser Verständnis der fortlaufenden und erfahrungsabhängigen Gehirnentwicklung im Laufe der Kindheit haben und eventuell praktische Anwendungen in der pädagogischen Praxis finden. Wenn wir herausfinden sollten, dass die Entwicklung der VerA das Lesen(lernen) beeinflusst, könnte dies in Empfehlungen in Bezug auf Screenings in der Schuleingangsuntersuchung oder auch mögliche Interventionen münden.“

Neben dem Fachgebiet Sehen, Sehbeeinträchtigung und Blindheit sind von der TU Dortmund Prof. Nele McElvany, Leiterin des Instituts für Schulentwicklungsforschung, sowie Prof. Ute Ritterfeld, Leiterin des Fachgebietes Sprache und Kommunikation an dem Projekt beteiligt, außerdem unterstützen Dr. Myriam Brandmaier (Sander) vom Max-Planck-Institute für Bildungsforschung in Berlin und Dr. Ben Balas von der North Dakota State University das Projekt.